Wiedergeburt der Politischen Oekonomie?

“Die Wertedebatte – Wie fünf Ökonominnen Wirtschaft und Politik neu verbinden.”    In einem erfrischenden Deutschlandfunk Artikel serviert Antje Schrupp einen gut sortierten Ausblick über den Tellerrand des wirtschaftswissenschaftlichen Mainstreams. Sehr empfehlenswert!

“Diese fünf Ökonominnen entrümpeln die Wirtschaftswissenschaften von alten Glaubenssätzen und entwickeln neue Theorien für das 21. Jahrhundert : Mariana MazzucatoKate Raworth,  Esther DufloStephanie Kelton und Carlota Pérez. 

Nicht nur die Welt der Konzerne und Börsen ist weiterhin so stark von Männern dominiert wie kaum ein anderer gesellschaftlicher Bereich. Auch Wirtschaftstheorie bleibt weithin eine Männerdomäne. Dabei könnte das Image der Zunft neue Perspektiven und einen Blick „von außen“ gut gebrauchen.

Das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ jedenfalls empfiehlt sie als fünf besonders kreative Köpfe ihrer Disziplin, und tatsächlich sind ihre politischen Vorschläge ebenso kühn wie pragmatisch. Bei aller Unterschiedlichkeit stellen sie grundsätzliche Fragen neu, wie zum Beispiel die nach der Definition von Wert, dem Sinn von Wachstum, dem Verhältnis von Politik und Wirtschaft.

Aber funktionieren sie auch? Und welche Rolle spielt es dabei, dass alle fünf Frauen sind?

„Die Regierung ist nicht die Lösung unseres Problems. Sie ist das Problem.“  Dieser berühmte Satz …  hier den Artikel lesen

oder erstmal nur die GM excerpts weiter unten

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PS Forbes hätte auch noch weitere Oekonominnen auflisten können, zB diese Nobelpreis Kandidaten – siehe 2013 Washington Post Artikel   oder  2020 Guardian Artikel

Harvard’s Claudia Goldin is a labor economist and economic historian who has studied why income inequality is growing, why college tuition is rising, and the extent of discrimination against women in the job market.

She’s analyzed how skill-based technological change has increased the demand for high-skilled workers relative to low-skilled workers and how the growing gap in educational achievement has led to increased income inequality, especially in the latter part of the 20th century.  She compiled this research into an award-winning book, The Race between Education and Technology, co-written with Lawrence Katz of Harvard.

Johns Hopkins University’s Anne O. Krueger’s , formerly the number two and briefly the managing director at the International Monetary Fund, has studied how businesses use their economic and political power to dominate markets. Her academic claim to fame is creating the term “rent seeking” to describe the concept that people do things like lobbying to obtain special privileges from the government. These activities, however, don’t create new wealth, they merely capture wealth that already exists in the economy. Her influential 1974 paper, “The Political Economy of the Rent-Seeking Society,” showed that the existence of “rents” causes private and social costs of certain activities to diverge.

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Deutschlandfunk Artikel  –  excerpts  

“In Krisenzeiten ist der Staat also keineswegs ein Problem, sondern die Lösung. Aber was bedeutet das für volkswirtschaftliche Theorien?

Wirtschaftswissenschaftlerinnen denken „out of the box“

Statt Politik und Ökonomie weiterhin als getrennte Sphären zu betrachten, wäre es nötig, sich gerade die Wechselwirkung zwischen beidem genauer anzuschauen. Und statt Ereignisse wie die Finanzkrise oder die Corona-Pandemie als unvorhersehbare Sonderfälle zu betrachten, brauchen wir Analysen, die man auch in schwierigen Zeiten zu Rate ziehen kann.

 Wirtschaft, betont Raworth, ist kein Naturphänomen, und sie folgt auch nicht mechanistischen Abläufen. Für eine fruchtbare wirtschaftliche Entwicklung schlägt Raworth vor, sich am Bild eines Donuts zu orientieren.

Der normalerweise übliche Maßstab für wirtschaftlichen Erfolg ist allerdings nicht der Donut, sondern das BIP

… 

wie Raworth bezweifelt auch Mariana Mazzucato, Professorin für Innovation und Werttheorie am University College in London, den Sinn des BIP, aber mit einem anderen Argument: Ihrer Ansicht nach sind darin zu viele unproduktive Aktivitäten enthalten, die überhaupt nichts zum Wohlstand einer Gesellschaft beitragen. Zum Beispiel Umsätze aus Finanztransaktionen, deren einziger Zweck es ist, Profit zu generieren.

Die Frage danach, welche Aktivitäten produktiv sind und welche unproduktiv, wird in der politischen Ökonomie seit dem 18. Jahrhundert diskutiert.

Doch im 20. Jahrhundert dann ist jede Kritik an den „Abschöpfern“ aus der Mode gekommen, wie Mazzucato schreibt:

„Ersetzt wurde sie durch die Ansicht, dass allein eine solche Aktivität als produktiv zu bezeichnen ist, die (legal) einen Preis auf dem Markt erzielt. … Wenn sich Wert aus dem Preis ableitet, muss auch das Einkommen aus Renten produktiv sein. Aus diesem Grund ist das Konzept des unverdienten Einkommens heute verschwunden.“

Die Realitaet des unverdienten Einkommens ist genauso wenig verschwunden wie unbezahlte Arbeit…

Kate Raworth: Der blinde Fleck der unbezahlten Arbeit

Das Argument lautet: Wenn jemand bereit ist, einen Preis für etwas zu zahlen, dann ist die betreffende Ware oder diese Dienstleistung offenbar genau das wert. Der Vorteil einer solchen inhaltsfreien Werttheorie ist, dass sie ohne moralische oder ideologische Wertungen auskommt. Insofern war sie auch eine Reaktion auf die realsozialistische Planwirtschaft. Man wollte ein System schaffen, in dem es die Politik nichts angeht, wofür Menschen Geld ausgeben. Aber wenn man gar nicht mehr nach dem gesellschaftlichen Nutzen einer wirtschaftlichen Aktivität fragt, führt das auch zu Problemen. Es ist dann nämlich nur folgerichtig, wenn Hersteller von Medikamenten Mondpreise verlangen, die in keinem Verhältnis mehr zu ihren aufgewendeten Kosten stehen – denn wer wollte ein Preislimit bei der Rettung von Menschenleben ziehen? Ohne inhaltliche Wertbestimmungen lässt sich auch nicht verhindern, dass das Geld sich bei immer weniger Menschen ansammelt. Nach Schätzungen des Tax Justice Networks besitzen inzwischen 0,1 Prozent der Weltbevölkerung mehr als 80 Prozent des Finanzvermögens – eine Entwicklung, die sich erst im 21. Jahrhundert auf diese Weise exponentiell entwickelt hat.

Die Gleichsetzung von Preis und Wert ist aber noch aus einen anderen Grund problematisch. Denn ungefähr die Hälfte aller wirtschaftlichen Aktivitäten und damit enorme Werte fallen dabei schlicht durchs Raster – und zwar alles, wofür kein Geld bezahlt wird.

Für Volkswirtschaftler, die ihr Fach ernst nehmen, müsste das eigentlich Grund genug sein, endlich eine ihrer zentralen Ideen endgültig über Bord zu werfen: den „Homo Oeconomicus“.

Die Menschen sind viel beständiger, viel traditioneller, viel ortsgebundener als es das Modell des Homo Oeconomicus behauptet… 

Das Hauptproblem der Globalisierung liegt also darin, dass es nicht gelingt, ihre positiven Effekte gerecht und sozialverträglich zu verteilen, folgert Duflo.

Sie will global Grundeinkommen, aehnlich wie Veroufakis

jetzt zu Kelton’s MMT 

… Dieser neuen Geldtheorie zufolge sind Staatsdefizite unproblematisch, solange sie sich im Rahmen tatsächlich vorhandener Ressourcen bewegen. In der traditionellen volkswirtschaftlichen Theorie ist die Kontrolle der Geldmenge eine der zentralen Aufgaben von Nationalbanken: Es darf nicht mehr Geld in Umlauf gebracht werden als vom Wirtschaftswachstum gedeckt ist, sonst drohe Inflation….

Das größte Problem an der Modern Monetary Theory ist deshalb nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Natur: Ist es angeraten, Regierungen diese Art von Entscheidungsmacht in die Hand zu geben, vor allem in populistischen Zeiten wie heute? Wie wahrscheinlich ist es, dass sie mit dem Instrument des Gelddruckens verantwortlich umgehen würden?”

 

Gute Frage aber letztlich beantwortbar durch die Verbindung mit Grundeinkommen: Das neue Geld wird direkt and die Menschen verteilt, zB via digitalem ZB Geld.  Ausserdem ist nicht klar ob hier beachtet wird dass derzeit weiterhin das meisste neue Geld nicht von der Zentralbank sondern von den privaten Banken kommt?   

Und was (Staat’s)Schulden angeht sollte man sich beim Geld nicht durch die Quantitaeten die Sicht vernebeln. Letztlich kommt es nicht so drauf an wer es an wen rausgibt, als was dann damit gemacht wird.

So sieht das auch Bill Mitchel auf seinem blog

Forget the record deficits and public debt – focus on what the net spending is doing to advance well-being