Stephen Zarlenga’s Der Mythos vom Geld – Die Geschichte der Macht

Zarlenga Stephen Der Mythos Vom Geld die Geschichte der Macht

„…wunderbar hilfreich und hat einige atemberaubende historische Ausblicke…“ Hugh Downs 

„…bietet den nötigen Hintergrund, um die grundlegenden strukturellen Probleme zu erkennen…“ Michael Hudson

 „…ein Meisterwerk“ Michael Kumhof

Wenn man bedenkt dass Stephen Zarlenga sich als prominenter Befürworter der Geldreform in den USA entpuppt, habe ich ziemlich lange gebraucht um auf sein Buch zu stoßen. Zufällig oder nicht, ist dies mein drittes großes Geldbuch dieses Jahr in dem Geld als Macht auftritt.   

GeldMacht

Nicht nur im ent-&er-mächtigenden Sinne jedes Geldes, sondern eben in der überwältigenden Bedeutung des Geldsystems für den real existierenden Kapitalismus. Dass sich die Kaufkraft des Geldes auf den Kauf von Macht ausdehnt, ist keine Neuigkeit. Aber solche Geschichten erzählen typischerweise personalisierte Episoden über privilegierte Ansprüche, Machtmissbrauch oder Korruption. Da geht es nicht um das System. Es geht um faule Äpfel, nicht darum, wie der Obstgarten betrieben wird.

Wer auch immer das Geldsystem kontrolliert, kontrolliert im Laufe der Zeit die Nation.

 monetary.org/Stephen Zarlenga

Es wird ständig über Geld gesprochen, aber es stellt sich heraus, dass es zu 97% um Preise geht, einschließlich des Geldes, und natürlich, wer die Rechnungen bezahlen soll. Über Geld als systemische Variable wird wenig gesprochen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Expertenstimmen einen belehren dass, ganz im Gegenteil, ja das Geld der Schleier sei. Preise verschleiern in der Tat so manches. Aber hier geht es nicht um Preise. Es geht um das Geldsystem und fundamentale Fragen zur Geldschöpfung. Das bleibt tabu. Fragen Sie die Geldreformer…

MONEY GELD REFORM

So wie das Tabu des Geldes auf der persönlichen Ebene viel mit den Statusimplikationen der Selbstpositionierung zu tun hat, so ist es auch mit Geld als Thema der politischen Ökonomie. Das Tabu deckt die Manifestationen von Privilegien und Macht ab und schützt die Machenschaften, die den Schleier wieder zunähen, nicht zuletzt durch die Ökonomen in meinem Hinterkopf, die ewige Wahrheiten murmeln wie: „Geld entsprang dem Tausch, um die doppelte Koinzidenz von Wünschen zu überwinden…

Die Herkunft des als Tauschmittel verwendeten Geldes im “Metallismus” beruht auf der vermuteten geringen Effizienz des Tauschhandels … Aber die… archäologische Beweise dafür sind nicht schlüssig. Darüber hinaus scheinen die mit Barter verbundenen Transaktionskosten von Metallisten übertrieben worden zu sein.  Tatsächlich verringert die Einführung einer Rechnungseinheit die Komplexität des Systems relativer Preise, die normalerweise mit dem Tauschhandel verbunden sind.

In ähnlicher Weise unterliegen Transaktionen in Form von Sachleistungen zeitlichen Beschränkungen, die oft als “doppelte Koinzidenz von Wünschen” bezeichnet werden. Aber mit einem Schulden-Kredit-System ist ein verzögerter Tausch kein Problem, und damit Kreditvergabe möglich. Diese Anpassungsfähigkeit des (muenzenlosen) Tauschhandels wird durch das Studium der altägyptischen und mesopotamischen Palastwirtschaften bestätigt. Sie liefern Beweise dafür, dass nicht-monetäre Transaktionen über JahrtauseDinde hinweg bestanden haben und stellen die Vision des Metallismus über die Herkunft des Geldes in Frage.

hal.archives-ouvertes.fr 2019 Barter and the Origin of Money – by Serge Svizzero and Clement Tisdell

Zero Evidence

Sohn italienischer Immigranten, Stephen A Zarlenga studierte interdisplinär an der University of Chicago. Nach  Abschluss als Psychologe in 1963 folgte eine Karriere als Finanzprofi in Investmentfonds, Rohstoffhandel, Immobilien und Versicherungen. Sein Forschungsinteresse an der “verlorenen Geldwissenschaft” führte ihn durch die gesamte Geld-Literatur die er in der US-Kongressbibliothek finden konnte und kulminierte in den frühen 1990igern in einem 500 Seiten Buch und der Gründung der Geldreformstiftung  American Monetary Institute.  Obwohl der Autor gut genug positioniert war um die US Regierung zu beraten, fand er anscheinend keinen US Verleger und das Buch erschien zuerst als deutsche Übersetzung im Schweizer Conzett Verlag  in1997. Erst 2002 kam es auf englisch raus.

Der Titel “Der Mythos vom Geld – die Geschichte der Macht” trifft das Buch doppelt gut, denn es ist nicht nur eine chartalistische Geschichte von Geld als Macht, sondern gerade die Geschichte der Verschleierung dieser Macht. 

… in bezug auf das Geld teilten Karl Marx und Adam Smith praktisch dieselbe primitive Auffassung.

Zarlenga, Stephen. 2004 Der Mythos vom Geld – die Geschichte der Macht – 270

Schon die Abwesenheit einer gegenwärtigen Geldwissenschaft entfaltet Zarlenga in lediglich eines von vielen Stoffen aus denen die vielschichtige Verschleierung des Geldsystems immer wieder neu genäht wird. 

Zarlenga’s massives Referenzwerk ist gefüllt mit unschätzbaren Details und Hintergrundsinformationen zu mehr oder weniger bekannten Episoden aus der Geldmachtgeschichte um Seigniorage und Geldemission. Obwohl Zarlenga auf die Münzgeschichte fokusiert ist, klammert er Geld als Kredit keineswegs aus. Die Verzinsung der Staatschuld und die quasi soveräne Emission privaten Kreditgeldes sind Hauptzielscheiben seiner Kritik.

Zarlenga ist ein akademisch freischwebender, ideosynkratischer Leser der Geldtheoriegeschichte. Da wird nicht nur Adam Smith sondern auch Karl Marx zum Apologeten der Bank of England, wie überhaupt die Oekonomen  zum Thema Geld meist nur Blindheit und Verschleierung zu bieten haben.

Digitales Zentral Bank Geld : Geld zwischen Schleier und Tabu (1)

Die Geld-aus-Tausch-Warentheorie des Geldes wird be jeder Gelegenheit  als ökonomisches Verschleirungsmanöver entlarvt wobei Zarlenga’s Zorn besonders scharf auf Ludwig von Mises heissgeliebtes regression theorem zielt.

Von Mises Buch weist eine Vielzahl von Widersprüchen und unbestätigten Behauptungen auf, besonders in seine monetären Hauptaussagen. Ein Beispiel dafür ist die folgende, durch nichts gestützte Behauptung: »Das Konzept von Geld als einer Schöpfung des Gesetzes und des Staates ist eindeutig unhaltbar. Es wird durch kein einziges Phänomen des Marktes belegt.« Warum? Keine Antwort. Wir haben im vorliegenden Buch bereits viele Fallstudien dokumentiert – mindestens eine in jedem Kapitel –, die Von Mises Behauptungen widerlegen. Die Methode, der sich Von Mises und die Wiener Schule der Nationalökonomie bedienen, ist entweder ein lauthalses Behaupten wie im obigen Beispiel oder aber das rein theoretische Denken.

   

Zarlenga, Stephen. 2004 Der Mythos vom Geld – die Geschichte der Macht – 270

W.S. Jevons bekommt es zum Beispiel so ab:

“Jevons befasste sich nicht mit der Frage, ob das Geld vom Staat oder von einer Privatbank kontrolliert werden sollte. Er ignorierte die Arbeiten von Ricardo, Berkeley, Raithby, Tooke, Thompson, Mc Culloch und anderen und setzte statt dessen einfach voraus, dass Geld privat kontrolliert werden sollte…”

Zarlenga, Stephen. 2004 Der Mythos vom Geld – die Geschichte der Macht – 270

Zarenga’s sozialschädlicher Ausbeuter ist also nicht Marx’s kapitalistischer Unternehmer oder Industrieller, oder  höchstens als Ur-Sondertyp des Minenbesitzers mit Münzfabrik. Zarlenga’s herrschende Klassse ist weniger Klasse als korrupte Elite. Eine Finanzkapital-Mafia aus Geldmachtmissbrauchern, die sich mit der Institutionalisierung des hybriden Schuldgeldsystems durch die Bank of England ins Zentrum der Souveränität manövrieren und so nicht nur Arbeiter und  Bevölkerung systematisch betrügen und ausbeuten, sondern vor allem  gerade die freiwirtschaftenden und unternehmerisch Handelnden und Produzierenden. Ausgerechnet die produktiven Kohorten einschliesslich der Industrie werden systematisch sabottiert.

“Wirtschaftliches Handeln kann zumindest in einer kapitalistischen Gesellschaft nicht ohne Berücksichtigung des Geldes erklärt werden, und praktisch alle ökonomischen Aussagen beziehen sich auf die Funktionsweise eines gegebenen Geldsystems.”

Joseph Schumpeter 1939 The Economist 2021 uebersetzung: google/caw

Hier klingt Zarlenga wie ein Schumpeter Schüler, wie überhapt seine Analyse in vielerlei Hinsicht mit den heterodoxen Geldgeschichten und Theorien übereinstimmt. Seine fundamentale Kritik des Zinsgeldes positioniert Zarlenga allerdings eher bei den Geldreformern. Mit fast mittelalterlich Strenge erinnert Zarlenga den Leser an die guten Grüende aus denen man immer wieder versucht hat Wucher zu unterbinden. Zerlanga’s Wut auf Wucher bezieht sich auf das Schulgeldsystem insgesamt, und letzlich auf eine Verachtung des Geld-von-Geld Gewinns als unverdient und prinzipiell parasitär. 

Auch das passt wiederum zu Schumacher’s Kritik am „Arm-Length-Investment“ und seiner Unterscheidung zwischen kreativ unternehmerischer Produktion oder Distribution und der absahnend akkumulierenden Intermediation. Vor allem passt Zarlengas Analyse allerdings zu den Geldreformern wie Moneta oder Positve Money, die die private Geldschöpfung abschaffen und einen Übergang zu zinslosem souveränem Vollgeld anstreben wollen.

Wie Simon Mouatt erklärt (article here), sind Zarlengas Kommentare nach den Maßstäben der akademischen Interpretationen von Smith oder Marx etwas grob und unfair, bleiben aber wahr in Bezug auf die bemerkenswert breite Allianz des Glaubens an die primitive Warentheorie des Geldes die bis heute von 80%-97% aller Befragtenen geteilt wird. Systemisch reproduzierte Ignoranz halten das Geld-Tabu aufrecht.

Davos Cancelled

Und so soll es auch bleiben. Wie einst Paul Krugman Bernard Lietaer warnte: „Rühre nicht an’s Geldsystem!“

Bisweilen mischt sich allerdings das Geldsytem wie von selbst ins Gespraech, etwa bei der ausserordentlichen 2008 Finanzkrise oder dann mit Bitcoin, MMT und zuletzt dem Zentralen Digitalgeld, griffbereit aber im Euro Buro erstmal tief in die Schublade geschoben. Denn wie Geldreformer Joseph Huber erklärt: Das ist Vollgeld. Wenn auch nur als Komplementärwährung gedacht. Nur ergänzend und eingeschränkt. Aber immerhin.

Immerhin Vollgeld

Den Vollgeldreformern dürften CBDCs willkommen sein. Privatmenschen bekommen womöglich Zentralbankkonten in EchtEuros. Theoretisch öffnet das eine weite Tür in den Saal der Demokratisierung der Geldschöpfung. Praktisch stellen allerdings auch die Vollgeldreformer das meist nicht so dar. Denn die demokratische Kontrolle bleibt sehr vermittelt. In der Vollgeldwelt stellt man sich eher eine neuaufgestellte Zentralbankautorität oder sogar 4. Staatsgewalt vor. Wie auch Zarlenga, dessen Reformpläne viel mit denen von Moneta oder Joseph Huber gemein haben.

Das Geldsystem zum politischen Thema zu machen gelang selbst post 2009 den Geldreformern nicht. Trotz einer professionellen Werbekampangne, heterodoxen Akademikern, libertinärer Unterstützung von rechts und links und sogar Martin Wolf von der FT, konnte Positive Money sich in England nicht in den eigentlich von der Finanzkrise überflutenden Media-Mainstream schiffen.

Lizenz Jäger

Schweizer Direktdemokraten diskutierten allerdings eine Vollgeldinitiative und gewannen am Ende mehrheitlich den Eindruck man wolle viele diverse Banken auf eine ZentralBank reduzieren. Und etwas verschwommen trifft das ja auch das Problem der Vollgeldreformer: wenn nicht die Banken, wer kontrolliert dann die Geldschöpfung? Eine 4. Staatsgewalt klingt erstmal sehr zentralistisch.

Schweizer Diskussionskulutur

Was offiziell selten erwogen wird ist Zentrales Neugeld direkt and die Bevölkerung zu buchen. Direkte Finanzierung wird de facto praktiziert, verschleiert sich aber als Tabu. So wie die Schuldlosigkeit des Zentralbankgeldes. Schuldfreie Überweisungen ans Volk klingen weiterhin zu gut um wahr sein zu dürfen.

Manna Digita

Mit digitalen Zentralbankwährungen griffbereit hat sich die Lage zwar verändert aber nicht in der Medienbehandlung. Geld als Thema? Gerne. Das Geldsystem? Das ist kein Thema. Das ist wie es ist. Da könnte ja jemand wissen wollen wem die Zentralbank was genau schuldet wenn sie neues Geld rausgibt?

Folgen Sie einfach dem Geld…


Geldforschung

Mehr zum Thema auf deutsch hier

English reviews, articles and free PDFbook here  


Inhaltsverzeichnis mit Leseproben

Zarlenga, Stephen. Der Mythos vom Geld – die Geschichte der Macht: Vom Tauschhandel zum Euro: eine Geschichte des Geldes und der Währungen (German Edition)  Conzett Verlag. Kindle Edition.

1. Kapitel: Die Ursprünge des Geldwesens Der Ursprung des Geldes im Warenhandel

Der Ursprung des Geldes in der Gesellschaft Der Ursprung des Geldes in der Religion Gold wird zum Zahlungsmittel Die griechischen Stadtstaaten führen die Münzprägung ein Lykurgs numerisches System in Sparta Solons Reform Aristoteles’ »Nomisma«

2. Kapitel: Roms Bronzegeld: besser als Gold Roms Bronzegeld Der Niedergang des römischen Geldsystems Östliche Kulte infiltrieren Rom Übernahme durch die Cäsaren Die Zerstörung des römischen Ethos Der kaiserliche Goldstandard stärkt die finanzielle Macht des Ostens Edelmetalle fließen in den Osten ab Die Währungskrisen im späten dritten Jahrhundert Das Imperium verlagert sich nach Osten

3. Kapitel: Der Untergang Roms aus monetärer Sicht Erste Regel: Das »heilige« Vorrecht der Goldmünzenprägung Zweite Regel: Die unterschiedlichen Gold-Silber-Wertverhältnisse in Ost- und Westrom Der Untergang des Römischen Reiches bleibt eine der größten Fragen der Geschichte Eine monetäre Sicht des Untergangs von Rom Der moslemische Angriff auf das »monetäre Rückgrat« des Reiches

4. Kapitel: Die Wiedereinführung von Geld im Westen Die Wiederbelebung des Münzsystems im Norden durch Karl den Großen: ein »trügerisches Licht« Sonnenaufgang über dem Mittelmeer: Der Aufstieg von Venedig Venedigs Geldsysteme Venedig führt vorsichtig Nominalgeld ein Die venezianischen Imprestidi: eine Form der Staatsfinanzierung

5. Kapitel: Die Kreuzzüge beenden den monetären Würgegriff von Byzanz Der erste Kreuzzug Der Aufstieg der Templer Der vierte Kreuzzug nach Konstantinopel Die monetäre Bedeutung des vierten Kreuzzuges Die finanziellen Neuerungen der Templer

6. Kapitel: Der Kampf um die monetäre Vorherrschaft in der Renaissance Die Handelsmessen Die Münzstätten der Könige Die mittelalterlichen Geldverleiher Privatbanken Staatseigene Banken Die große Entdeckung: Banken schöpfen Geld Die Fugger Die Welser, Hochstetter und Tucher Brügge: die treibende Kraft im Norden Die Hanse

7. Kapitel: Scholastiker und Reformatoren Die scholastische Sicht von Geld und Preis Das Wucherverbot Das Wucherverbot wird in Frage gestellt Keine Vergebung für Wucherer Martin Luther Johannes Calvin Wirtschaftliche und geistige Auswirkungen des Calvinismus

8. Kapitel: Das Jahr 1500 – Dreh- und Angelpunkt der Geschichte Machtverschiebungen vom Mittelmeer zur Nordsee Die Plünderung Amerikas Die Renaissance des Nordens Die Kaproute verändert die Handelsbeziehungen

9. Kapitel: Der Aufstieg des Kapitalismus in Amsterdam Die Bank von Amsterdam Die Juden Amsterdams Die Börse von Amsterdam Die Vernachlässigung des Handels durch die Holländer Holland finanziert England

10. Kapitel: Der Transfer des Kapitalismus nach England Englands monetärer Hintergrund Der Kampf um die Kontrolle des englischen Geldsystems Die religiöse Unterminierung der Monarchie Die Wiederzulassung der Juden in England Die Unterminierung der Monarchie über das Geldsystem Das Papiergeld-Experiment Karls II Der Free Coinage Act von 1666

11. Kapitel: Die Bank of England wird ausgeheckt Die Lehre vom Geld wird wiederentdeckt – und missbraucht Die Gründung der Bank wird in aller Stille vorangetrieben Der Widerstand gegen die Bank regt sich Ricardo greift die Geldschöpfungsmacht der Bank an Der Missbrauch der Lehre vom Geld 

Der South Sea Bubble  Die Bank of England schuf ein finanzielles und kulturelles Klima, das Betrug und Spekulation wie Pilze aus dem Boden schießen ließ. Die erste einer ganzen Reihe von Betrugswellen überschwemmte England von 1718 bis 1720, eine Folge von Ereignissen, die als South Sea Bubble bekannt werden sollte. Im Zentrum des Geschehens stand die 1711 gegründete South Sea Company, die Sklaven in einige spanische Kolonien transportierte. Ebenfalls in den Skandal verwickelt waren etwa hundert weitere Gesellschaften. Bei diesen Gesellschaften handelte es sich zum größten Teil um auf betrügerische Art und Weise gegründete Aktiengesellschaften, deren Wert nach oben hin manipuliert wurde, indem zum Beispiel Dividenden aus nicht existierenden Einkünften ausgeschüttet wurden.

Dieser Schwindel durchdrang die Finanzwelt sowie auch einen beträchtlichen Teil des Parlaments. Da sowohl der Prinz von Wales (von 1715 bis 1718) als auch König Georg I. (von 1718 bis 1720) Direktoren der South Sea Company waren, war sogar die englische Krone in diesen Schwindel verstrickt. Die Entwicklung der Gesellschaft gipfelte in dem Angebot, Englands Staatsschulden von der Bank of England zu übernehmen. Obwohl es Whigs waren, die die South Sea Company ausgeheckt hatten, handelte es sich bei der Bank doch um eine separate Gruppe. Allgemein herrschte die Ansicht, dass Ausländer – Juden und Holländer also – bei diesen Manipulationen eine maßgebliche Rolle gespielt hatten. In A South Sea Ballad schrieb Jonathan Swift:

A race of men who t’other day
lay crushed beneath disasters
are now by stock brought into play
and made our lords and masters.[2]

Auch einflussreiche Parlamentsmitglieder waren tief in diesen Betrug verstrickt, insbesondere Walpole, jedoch auch Stanhope, Aislabie, Sunderland und auch die Craggs – und das waren bei weitem nicht alle. Sir Matthew Decker war einer der Direktoren der South Sea Company; der Herzog von Buccleugh ebenso. Als Adam Smith die South Sea Company zu einem späteren Zeitpunkt in Der Wohlstand der Nationen besprach, erwähnte er weder ihre Betrügereien noch dass sie wie eine Seifenblase zerplatzte. Das Verschweigen dieser Tatsachen zum Schutz seiner Wohltäter disqualifiziert sein Werk in hohem Maße. Eine realistische Schilderung der Ereignisse lieferte hingegen Lewis Melville unter dem Pseudonym »Benjamin« in The South Sea Bubble27: Hier wird dieser historische Schwindel als sorgfältig eingefädelter Betrug geschildert und nicht etwa als eine kaum erklärbare »Manie der Massen«.

Tatsächlich hatte das Spekulationsfieber die Nation gepackt. So kletterte der Wert einer Aktie der South Sea Company im Jahr 1719 auf £ 126, am 2. Juni 1720 war ein Wert von £ 890 erreicht, Ende Juni waren es schon £ 2000. Dieser Kurshöhepunkt wurde im Monat August 1720 erreicht. Der Zusammenbruch der South Sea Company verursachte schließlich einen antijüdischen Aufstand in Amsterdam. Als die Mehrheit der ehrlichen Mitglieder des Parlaments die Betrüger schließlich vor Gericht brachte, versuchte die Krone, das Strafmaß zu drücken, weshalb es sich sehr schwierig gestaltete, die Angeklagten einer gerechten Strafe zuzuführen.

Die milde Bestrafung der Betrüger setzte den Standard für die Nichtahndung von Finanzdelikten in der englischsprachigen Welt (vor allem in den Vereinigten Staaten), mit Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Die Geldstrafen, zu denen die Angeklagten verurteilt wurden, lagen häufig weit unter den Beträgen, die sie sich während des Bestehens der Gesellschaft unrechtmäßig angeeignet hatten. An den Wänden der Gerichtsräume hingen während der Anhörungen zu diesem Fall Zettel, auf denen ehrbare Gentlemen davor gewarnt wurden, sich neben die angeklagten Direktoren zu setzen, da viele Leute »Taschenpistolen« mit in den Gerichtssaal brachten.28 Zwar wurde keiner der Angeklagten sozusagen stellvertretend für alle anderen Übeltäter erschossen, einige der schuldig verstrickten Parlamentsangehörigen verübten jedoch Selbstmord.

Die irische Hungersnot war Resultat der Besteuerung, die notwendig geworden war, um der Bank of England ihre Geschäfte zu ermöglichen. Von einer Gesamtbevölkerung von acht Millionen fielen 1 029 000 irische Männer, Frauen und Kinder dem Hungertod zum Opfer, und dies in einer Zeit, in der die von Landbesitzern exportierten Agrarprodukte mehr als ausgereicht hätten, um sie alle zu ernähren. Das Studium der exakt geführten Statistiken der irischen Lebensmittelexporte im Jahr 1845 ist, so Hollis, sehr aufschlussreich.

Aufgeführt (d. h. ausgeführt!) wurden 779 000 Quarter Weizen und Weizenmehl, 93 000 Quarter Gerste und 2 353 000 Quarter Hafer – also genug, um über 12 Monate hinweg alle Personen, die in Irland dem Hunger zum Opfer fielen, mit Nahrung zu versorgen, und zwar mit dem fast Vierfachen der benötigten Menge. Diese Lebensmittel wurden zum Teil exportiert, um die Pacht an abwesende Landbesitzer, hauptsächlich jedoch, um die Zinsen für die von der Bank aufgenommen Hypotheken zu bezahlen. Die irischen und die englischen Landbesitzer waren gezwungen, Hypotheken aufzunehmen, um die Steuern zu bezahlen, aus denen ihrerseits die Zinsen für die aus dem napoleonischen Krieg erwachsenen Schulden bestritten wurden.

In Irland war das Kapital in der Hand von Leuten, deren kulturelle und politische Sympathien ihren Gläubigern galten – und nicht so sehr dem Land, in dem sie lebten, wie folgendes Beispiel zeigt: Lord George Bentinct schlug vor, den Iren durch den Bau einer Eisenbahn zu mehr Kaufkraft zu verhelfen, aber Lord John Russels Whig-Regierung erlaubte das nicht. Andernorts waren profitablere Investitionen möglich.  (pp. 232-235)

12. Kapitel: Die Nationalökonomen: die Priesterschaft der Bankentheologie Ökonomen als Propagandisten Die Verachtung für geschichtliche Forschung wächst Der Mythos Adam Smith Zutreffendere Geldtheorien vor und nach Adam Smith Die Ergreifung der gesellschaftlichen Geldmacht Zinsberechnung auf privat geschöpftem Geld Geldmenge und Inflation – wieviel Geld ist notwendig? Weshalb konnte sich Adam Smith’ Auffassung durchsetzen? Bankiers setzen Smith’ monetäre Ansichten gegen England ein

13. Kapitel These versus Antithese: Synthese England in Schwierigkeiten – die sichtbaren Auswirkungen des Wuchers Religiös motivierte Menschen engagieren sich Sogar Ökonomen stellen sich gegen die Bank of England Der Wucher in der Defensive Die mathematische Unmöglichkeit des langfristigen Wuchers Die monetären Reformen von 1844 Marx und Engels formulieren die Antithese Die Synthese aus Smith und Marx

Adam Smith, Karl Marx and the BoE 

Der falsche Krieg zwischen Handel und Arbeit  :  Wie Smith postulierte auch Marx das Primat des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit. Auch er definierte das Kapital als Produktionsmittel, anstatt es im privaten Zentralbankwesen zu erkennen, dem Feind nicht nur des Handels und der Arbeit, sondern der ganzen Gesellschaft. Der Unterschied zwischen diesen beiden Nationalökonomen besteht darin, dass Smith mit der Verteidigung des Handels in diesen falschen Kampf eingriff, während Marx mit der Verteidigung der Arbeit einsetzte. Indes ist die falsche Definition dieses Kampfes bei beiden fast identisch. Die falschen Theorien bewirkten eine Verschärfung der Antagonismen zwischen Handel und Arbeit in der Wirtschaft der westlichen Welt, die über hundertfünfzig Jahre bis zum heutigen Tag mit äußerst destruktiven Folgen andauerte. Marx’ Geldtheorie spiegelt Smith’ Theorie wider Auch in bezug auf das Geld teilten Karl Marx und Adam Smith praktisch dieselbe primitive Auffassung. Marx wiederholte Smith’ Ansichten, bloß mit etwas anderen Worten: »Sein eigner Wert [des Geldes] ist bestimmt durch die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit. […] Ich setze überall in dieser Schrift, der Vereinfachung halber, Gold als die Geldware voraus. […] So funktioniert es als allgemeines Maß der Werte, und nur durch diese Funktion wird Gold, die spezifische Äquivalentware, zunächst Geld.«14 Über Papiergeld bemerkte Marx: »Das Papiergeld ist Goldzeichen oder Geldzeichen. Sein Verhältnis zu den Warenwerten besteht nur darin, dass sie ideell in denselben Goldquantis ausgedrückt sind, welche vom Papier symbolisch sinnlich dargestellt werden. Nur sofern das Papiergeld Goldquanta repräsentiert, die, wie alle andren Warenquanta, auch Wertquanta sind, ist es Wertzeichen.«

Private Kontrolle über den Geldmechanismus:  In der Frage der Kontrolle über den Geldmechanismus war Marx offensichtlich wesentlich weiter als Smith: »Da der Geldmaßstab einerseits rein konventionell ist, andererseits allgemeiner Gültigkeit bedarf, wird er zuletzt gesetzlich reguliert.«16 Und: »Wie die Feststellung des Maßstabs der Preise fällt das Geschäft der Münzung dem Staat anheim.«17

Das ist aber nicht genug. Neunzehn Jahre zuvor (1848) hatten Marx und Engels im Kommunistischen Manifest zehn Maßnahmen postuliert, die vom Proletariat in fortschrittlicheren Ländern umgesetzt werden sollten. Im fünften Punkt forderten sie »die Zentralisation des Kredits in den Händen des Staates durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol«.18 Anscheinend waren die beiden damals von Ricardo und Berkeley beeinflusst. Im Kapital dagegen erwähnte Marx diese entscheidende Forderung mit keinem Wort mehr. Jetzt heißt es statt dessen: »Goldmünze und Barrengold unterscheiden sich also von Haus aus nur durch die Figur, und das Gold ist beständig aus einer Form in die andre verwandelbar.«19 Mit dieser Aussage erklärte Marx seine früheren Äußerungen über Staatsgeld für ungültig und überließ die Kontrolle über das Geld den »Finanziers«, die über die Macht verfügten, Gold aus Barren in Münzen zu »verwandeln«. Dieselbe Wirkung hatte bereits der im 10. Kapitel behandelte englische Free Coinage Act von 1666. Marx über die Geldmenge Ebenso wie bei Smith blieb auch bei Marx die Bedeutung der Geldmenge im dunkeln. Er kehrte sogar das Verhältnis zwischen Geldmenge und Warenpreis um: »Unter dieser Voraussetzung also ist die Masse der Zirkulationsmittel durch die zu realisierende Preissumme der Waren bestimmt.«20 Mit anderen Worten: Die Preise bestimmen die Geldmenge und nicht die Geldmenge die Preise. Unter diesen Bedingungen erstaunt es nicht, dass Schülern von Marx einige grundlegende monetäre Prinzipien, die dieser Umkehrung von Ursache und Wirkung unterworfen waren, verborgen blieben.

Andererseits hat diese Umkehrung auch etwas Wahres an sich, da jene, die das Geld kontrollierten, die Geldausgabe manchmal auf dieser Basis regulierten. Dies trifft besonders auf Geschäftsbanken zu, die als Reaktion auf geschäftliche Nachfrage Geld schöpften.

Marx’ Umkehrung des Verhältnisses zwischen Geldmenge und Preis passt gut in ein Konzept, in dem die Industriellen immer die Bösen sind. Ihre Festlegung der Preise und nicht die Geldschöpfung der Banken wird als der entscheidende Kontrollfaktor angesehen. Marx über die Bank Marx’ Auffassung vom Wesen des Geldes im Kapital stimmte mit der Forderung im Kommunistischen Manifest, eine staatliche Bank müsse für die Geldausgabe zuständig sein, nicht überein. Während er die Bank of England und die Staatsschulden scharf kritisierte, setzte er sich nirgends mit dem Mechanismus auseinander, der es der Bank erlaubte, auf das von ihr geschöpfte Geld vom Staat Zinsen zu verlangen.

Vielleicht aber hatte dieser Punkt unterdessen auch an Bedeutung verloren, da die Bank nun nicht mehr für das als Staatsdarlehen geschöpfte Geld Zinsen berechnete, sondern nur noch für das als Privatdarlehen geschöpfte Geld. Zu seiner im Kommunistischen Manifest aufgestellten These, dass Geld ein gesetzliches Instrument sei, legte Marx im Kapital ein Lippenbekenntnis ab, indem er zur Geldkontrolle in einer Gesellschaft nicht eine private, sondern eine nationale Bank forderte. In dieser Hinsicht war er mit seiner Geldtheorie Smith überlegen. Diese Auffassung veranlasste Marx allerdings nicht zu einer entsprechenden Ausgestaltung seiner Theorie, so dass sie letztendlich Adam Smith’ primitive Geldtheorie bestätigt.

Marx’ Schreckensbild eines exponentiellen Wachstums : Eines der stärksten Kapitel im Kapital ist die Kritik an Industrie und Handel. Marx war der Meinung, Unternehmensgewinne kämen durch »Raub« an den Arbeitern zustande, und ließ dabei völlig unberücksichtigt, dass wirklich gewissenhafte Unternehmer über zahlreiche Eigenschaften wie Weitblick, Planungs- und Organisationsgeschick und Risikobereitschaft verfügen müssen.

Auf dieser Fehlinterpretation aufbauend, stellte Marx alles Folgende als einen wahren Alptraum dar: »Da das Kapital jährlich einen Mehrwert produziert, wovon ein Teil jährlich zum Originalkapital geschlagen wird, da dies Inkrement selbst jährlich wächst mit dem zunehmenden Umfang des bereits in Funktion begriffenen Kapitals. […] Das ursprüngliche Kapital von 10 000 Pfd. St. bringt einen Mehrwert von 2000 Pfd. St., der kapitalisiert wird. Das neue Kapital von 2000 Pfd. St. bringt einen Mehrwert von 400 Pfd. St.; dieser, wiederum kapitalisiert, also in ein zweites zusätzliches Kapital verwandelt, bringt einen Mehrwert von 80 Pfd. St., usw.«21 Damit sagte Marx voraus, dass sich das Kapital bei den Industriellen konzentrieren würde. Diese würden immer mehr und mehr Kapital benötigen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Nach Marx würde dieser Prozess zu einer Erhöhung und Konzentration der Bevölkerung in den Städten führen und sich so lange fortsetzen, bis die Arbeit knapp werden und die Löhne steigen würden. Marx zeichnete das Gespenst eines fast unbegrenzt exponentiell anwachsenden Kapitals in den Händen der Industriellen. In Wirklichkeit aber ist eine solche unbegrenzte Entwicklung von Natur aus gar nicht möglich; da die Industriellen innerhalb natürlicher Grenzen operieren, indem sie reale Güter produzieren, befinden sie sich nicht in der von Marx geschilderten Lage. Vor allen Dingen aber gehen sie Risiken ein und können schließlich einen Teil oder die Gesamtheit ihrer Vermögenswerte verlieren.

Das von Marx beschriebene Schreckgespenst eines unnatürlichen, exponentiellen und risikolosen Wachstums existierte und existiert bis heute tatsächlich – allerdings nur in einem Bereich: den Zinsen auf die Staatsschulden. Indem Marx dieses Problem fälschlicherweise den industriellen Produzenten zuschrieb, lenkte er die Aufmerksamkeit weg vom eigentlichen Hauptproblem des exponentiellen Wachstums, das in den Zinszahlungen auf das von der Bank geschöpfte Geld liegt. Durch diesen Prozess wird in der Tat die ganze Gesellschaft beraubt. Auf diese Weise tat der Marxismus den Bankiers gleich einen zweifachen Gefallen. Erstens lenkte er die Aufmerksamkeit weg von ihrer wahrlich räuberischen Beziehung zur Gesellschaft. Zweitens richtete er jede Kritik, die der Vermögenskonzentration erwuchs, gegen die Großindustriellen, also ausgerechnet gegen die wenigen potentiellen Gegner oder Konkurrenten der Bankiers.

Marx minimierte explizit die diesbezügliche Schuld der Bankiers, indem er behauptete, dass Cobbett und Doubleday mit ihrer Analyse, dass das Bankwesen »die Grundursache des Elends der modernen Völker« sei, unrecht hatten.22 Diese falsche Blickrichtung entspricht seiner Hauptthese eines Kampfes zwischen Industrie und Arbeit; doch in Wahrheit waren es die Banken, die sowohl gegen die Industrie als auch gegen die Arbeit kämpften.

Die Synthese aus Smith und Marx: Durch die beiden Theorien von Adam Smith und Karl Marx entstand das Bild eines ständiges Kampfes zwischen Industrie und Arbeit. So wurde ein in ein rechtes und ein linkes Lager polarisiertes Staatswesen geschaffen, das von den hinter den Kulissen arbeitenden Bankiers – die weder eine liberale noch eine konservative, sondern einfach die Politik der Bank verfolgten – kontrolliert und gelenkt werden konnte. Weder das rechte noch das linke Lager erkannte diese Bankiers als ihre wahren Feinde. Die Synthese der beiden Theorien förderte die Verbreitung der Warengeldtheorie, die schon längst als primitiv galt. Gleichzeitig leistete diese Synthese dem System einer privaten Zentralbank Vorschub, die zu ihrem eigenen Profit gesetzlich verankertes, abstraktes Geld schöpfte.

Stanley Jevons (1835–1882):  Diese Synthese kommt im Werk Stanley Jevons’ deutlich zum Ausdruck. Jevons diskutierte gar nicht mehr, ob Banken die Geldkontrolle ausüben sollten; er setzte es voraus. Er begrenzte die Diskussion auf die Frage, wie die Banken diese Kontrolle ausüben sollten. Vollständige Autonomie für die Bank zu fordern war nicht mehr möglich; die Beschränkungen der Bankenautonomie hatten dies 1844 deutlich gemacht.

Auch der vermutete Gegensatz zwischen Industrie und Arbeit wurde von Jevons nicht mehr behandelt, sondern einfach vorausgesetzt. Ebenso distanzierte sich Jevons von dem Argument, dass der Wert der Arbeit den Wert des Geldes bestimme. Jevons befasste sich nicht mit der Frage, ob das Geld vom Staat oder von einer Privatbank kontrolliert werden sollte. Er ignorierte die Arbeiten von Ricardo, Berkeley, Raithby, Tooke, Thompson, Mc Culloch und anderen und setzte statt dessen einfach voraus, dass Geld privat kontrolliert werden sollte. In einem Punkt ließ Jevons keine Fragen offen: Er trat für eine einzige Kontrollbank ein: »Nichts ist weniger geeignet, dem Wettbewerb überlassen zu werden, als das Geld.«23

Die richtige Geldlehre wird erneut begraben:  Jevons scheute keine Mühe, das Wesen des Geldes zu verschleiern: »In Griechenland war es Tradition, dass Lykurg die Spartaner verpflichtete, Eisengeld zu verwenden. […] Wie immer dies auch vonstatten ging, sicher ist jedenfalls, dass man heutzutage Eisengeld nicht mehr für Barzahlungen verwenden könnte, da ein Penny zirka ein Pfund wiegen würde.«24 Kein Mittel war ihm zu schade, um Lykurgs numerisches System in Sparta als bloßen Versuch abzutun, alte Schulden und Zinsen abzuzahlen, indem man einen billigen Rohstoff zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte! (Und dies 300 Jahre lang?) Jevons setzte sich gezielt über die Lehre vom Geld als gesetzlicher Institution hinweg, mit der sich Aristoteles, Platon, Locke, Berkeley, Franklin, Raithby und andere ausführlich befasst hatten. Gewiss nicht aus Versehen – dafür war Jevons mit dem Bankwesen viel zu vertraut. Der Warenwert der Eisenstücke war ihm wesentlich interessanter als der Warenwert der als Banknoten verwendeten Papierfetzen. Kein Wunder: An den Banknoten wird deutlich, dass Geld Nomisma, nicht Ware ist. Genau wie Adam Smith beeinflusste auch Jevons seine Leser in dem Sinne, Geld als Ware zu betrachten, obwohl er wusste, dass die Privatbanken abstraktes Geld emittierten. Dieser Trick wurde immer und immer wieder angewendet und ging in die herrschenden Werke der Geldlehre ein. So wurde die wahre Geldlehre allmählich aus dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit ausradiert.

Was die fortschrittliche Lehre vom Geld als gesetzlicher Einrichtung angeht, so behandelte Jevons gerade so viel davon, wie für seine Unterstützung der Banken zweckmäßig war – jedoch nie so viel, dass er die Machenschaften der Banken ernsthaft gefährdet hätte. Dabei definierte Jevons Geld nicht als gesetzliche Institution; er trat aber ein für von der Bank kontrolliertes Papiergeld ohne Deckung: »Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass nicht konvertierbares Papiergeld seinen vollen Wert bewahren kann, wenn seine Menge sorgfältig begrenzt wird.«25 Die richtige Geldmenge :Was die Frage der geeigneten Geldmenge anbelangte, war Jevons der Meinung, dass niemand genau sagen könne, welche Menge die richtige sei, und dass »Staatsmänner« nicht versuchen sollten, die Geldmenge direkt zu regulieren. Jevons zufolge war die erforderliche Menge proportional zu der Bevölkerung, industriellen Aktivität, Komplexität der staatlichen Strukturen und – damit gab er Marx wieder – zum Preis der Waren. Da nach Ansicht von Jevons nur wenige dieser Größen bekannt waren, schlug er vor, dem Geld völlige Freiheit zu lassen, sich selbst zu regulieren. Geld müsse sich seinen eigenen Weg bahnen – genau wie das Wasser.  (p. 283)

Er trat dafür ein, die Versuche einer Geldmengenkontrolle auf eine Regulierung der Banknotenausgabe zu beschränken, was für ihn bedeutete, das geeignete System der Bankreserven zu bestimmen. Das kam den Bankiers natürlich sehr gelegen. Damit propagierte Jevons eine monetäre Weltanschauung, nach der eine zentrale Privatbank über die Geldmacht verfügt und völlig unangefochten über Regierungen und über Menschen herrschen kann.

Die monetären Reformen von 1844 : Seit 1810 war die Politik der Bank of England nicht nur für das Elend der unteren Bevölkerungsschichten, sondern auch für den immer stärkeren Druck auf viele andere Teile der Gesellschaft verantwortlich. Reformen waren nicht mehr zu umgehen. Die Reformen von 1844 umfassten folgende Maßnahmen:13 – Die Bank wurde verpflichtet, die Zinsnahme auf Schulden des Staates einzustellen. – Ricardos Kritik trug doch noch Früchte. – Eine separate Notenausgabeabteilung wurde gegründet. Banknotenemissionen über £ 15 Millionen mussten durch Gold gedeckt werden. Auch Silber konnte wieder zur Deckung der Notenemission der Bank verwendet werden, allerdings nur bis zu 20 % der gesamten Edelmetalldeckung. Silber wurde jedoch nicht mehr monetisiert. – Die Bank legte die Notenausgabe anderer Banken auf die durchschnittlichen Außenstände der vorangegangenen 12 Monate fest. Diese gutgemeinte Gesetzgebung bedeutete, dass die Bank nicht mehr ungestraft handeln konnte. Sie bedeutete auch, dass eine weitere Deflation vorprogrammiert war, die aber glücklicherweise vor allem durch die Entdeckung von Gold in Kalifornien im Jahre 1849 vermieden werden konnte.

Die ebenso falsche Antithese:  Mit der Reform von 1844 wurde zwar das Notenausgaberecht der Bank drastisch eingeschränkt, doch der fast identische Vorgang der Kreditschöpfung in Form von Buchgeld wurde eine Zeitlang weniger streng begrenzt. So bestand nach wie vor die Gefahr, dass die Machenschaften der privaten Zentralbank aufgedeckt werden könnten. Was würde passieren, wenn die Allgemeinheit eine Entschädigung verlangen und den unrechtmäßig erworbenen Reichtum der Übeltäter beschlagnahmen würde?

Für die Bankiers war es einfacher, wenn die »Kapitalismusthese« nicht etwa von der Wahrheit, sondern von einer ebenso falschen »Antithese« angegriffen wurde. Ein Konflikt zwischen zwei teilweise falschen gegensätzlichen Theorien würde viel einfacher zu handhaben sein als die Fortsetzung des Engagements für eine teilweise falsche These, die von verschiedenen Seiten angefochten wurde. Die Gegner der »These« wurden also durch eine ebenso falsche »Antithese« abgelenkt, die sie erneut davon abhielt, die Wahrheit zu finden. Es folgte eine sinnlose und fehlgeleitete Energieverschwendung, die es den Manipulatoren der falschen Debatte erlaubte, eine ebenso falsche »Synthese« zu behaupten.

Marx und Engels formulieren die Antithese:  Die »Antithese« trat in groben Zügen bereits 1848 in Marx’ und Engels’ Kommunistischem Manifest zutage. Eine verbesserte »Antithese« zu Adam Smith’ Der Wohlstand der Nationen erschien schließlich 1867 mit Karl Marx’ Das Kapital. (Die Aufzeichnungen für die Bände 2 und 3 erschienen in der Bearbeitung von Engels 1885 und 1894.)…

Die Parallelen zwischen Karl Marx und Adam Smith in mehreren Schlüsselbereichen sind verblüffend. Dies gilt besonders für jene Irrtümer, auf denen die Macht der Bank of England gründete.

Wie Bankiers die Geldtheorie beeinflussen: Es soll hier nicht unterstellt werden, dass Adam Smith, Karl Marx, Stanley Jevons und andere Gelehrte von den Banken speziell angeheuert und bezahlt wurden, um Werke im Sinne der Banken zu verfassen. Es ist nicht nötig, eine solche direkte verschwörerische Verbindung zu postulieren, auch wenn solche Verschwörungen, wie Thorold Rogers folgert, sowohl in der Vergangenheit bestanden als auch heute noch bestehen. Daher sollten Forscher auch nicht davor zurückschrecken, den Begriff Verschwörung zu verwenden, um Verschwörungen zu bezeichnen, für die genügend Beweismaterial vorhanden ist. Die Beweisführung ist schwer, zumal dringendere Arbeiten anstehen. Die Bankiers haben andere Methoden der Beeinflussung: Sie können sich einen Überblick über die derzeitige geldwissenschaftliche geldwissenschaftliche Forschungselite verschaffen und sich jene Gelehrten herauspicken, deren plausible oder äußerst komplexe Theorien die Aktivitäten der Banken begünstigen. Sie können dann dafür sorgen, dass diese Ansichten gefördert werden und Kritik an ihnen unterdrückt wird, wobei die Gelehrten nicht einmal unbedingt wissen müssen, warum ihre Werke so positiv aufgenommen werden. Wie leicht bedeutende Werke durch simple Nichtbeachtung verlorengehen und aus der Welt geschafft werden, zeigt das folgende Beispiel: Als James Frazer (der Autor von Der goldene Zweig) ein Buch über Berkeleys Werke herausgab, suchte er lange vergeblich nach einem Exemplar von Berkeleys Querist, das er aufnehmen wollte. Erst im letzten Moment wurde er zufällig fündig. Auch das mir vorliegende Exemplar von Berkeleys Querist ist 250 Jahre alt. Von großer Bedeutung ist ferner die Tatsache, dass die meisten ökonomischen Lehrstühle an den einflussreichen Instituten und Universitäten der USA von Finanzinstitutionen – also Banken und verwandten Einrichtungen – finanziert werden. Diese Gruppen nehmen direkten Einfluss darauf, mit welchen Personen diese maßgebenden Lehrstühle besetzt werden, und damit auch darauf, mit welchen monetären Ansichten die nächste Generation von Ökonomen und Lehrern indoktriniert wird…”…  p. 284

14. Kapitel: Die Kolonialwährungen der USA Die Urwährungen der »Moundbuilder«-Kulturen Die monetäre Not in den Kolonien Die credit bills von Massachusetts – das erste Papiergeld im Westen Pennsylvanias überlegenes Geldsystem Der Angriff der Lords of Trade and Plantations auf das Kolonialgeld Der Currency Act von 1764 Die monetäre Ursache der amerikanischen Revolution Die Continental currency – der Lebensnerv der Revolution Der insgesamt bemerkenswerte Erfolg der Continental currency

15. Kapitel: Die Geldmacht gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten Frühe Versuche einer widerrechtlichen Übernahme der Geldmacht Die Verfassung von 1787 Die Frage nach dem Wesen des Geldes To emit bills of credit Die First Bank of the United States ergreift die Geldmacht Die erste Geldausgabe der Vereinigten Staaten Die üblen Machenschaften der Second Bank of the United States

16. Kapitel: Ein Vergleich zwischen der staatlichen und der privaten Geldemission der Vereinigten Staaten Die Erfahrungen der USA mit staatlich emittiertem Geld Die Erfahrungen der USA mit privat emittiertem Geld Die Funktionsweise des free banking Gouges Darstellung des frühen Bankwesens Maßnahmen gegen die privaten Staatsbanken Die Free-banking-Gesetze der Bundesstaaten von 1836

17. Kapitel: Greenbacks – echtes amerikanisches Geld Amerika vor dem Sezessionskrieg Die Einführung des greenback Die Entwicklung des greenback und der Preise Das Papiergeldsystem der Konföderation scheitert Der National Banking Act von 1863/64 Der Kampf um die greenbacks Die Verteidiger des greenback

18. Kapitel: Die monetären Verbrechen des 19. Jahrhunderts – die großen Demonetisierungen Warum Bankiers an einer Deflation gelegen ist Probleme des Bimetallismus Die Lateinische Münzunion Die Hälfte des Münzgelds der Welt wird vernichtet Die erste Attacke: die Greenback-Anleihen Die zweite Attacke: Versuche zur Abschaffung der greenbacks Die dritte Attacke: die »heimliche« Demonetisierung des Silbers Die Vereinigten Staaten remonetisieren das Silber

19. Kapitel: Der Triumph der Bankiers – die Einrichtung des Federal Reserve System Die volksnahen Parteien – von den Bankiers in die Tasche gesteckt  Verebbender Kampf um den greenback Der Currency Act von 1900 Das Aufkommen gesellschaftlich verträglicher Lösungen des Geldproblems Die Panik von 1907 Das Federal Reserve System – eine heimlich etablierte private Zentralbank Parallelen zur Gründung der Bank of England Die uralten Techniken monetärer Herrschaft

20. Kapitel: Das Federal Reserve System ruiniert Amerika Das Federal Reserve System startet gerade rechtzeitig Das Federal Reserve System destabilisiert das amerikanische Geldsystem Die Bank of England diktiert die amerikanische Geldpolitik in den zwanziger Jahren Wie es zum Börsenkrach kam Der Börsenkrach Die große Depression – eine drastische Verringerung der Geldmenge Von Hoover zu Roosevelt – ein markanter Regierungswechsel Die Bankenreform von 1933 bis 1935 Die Finanzierung des Zweiten Weltkrieges Versuche, das moralische Ansehen des Kapitalismus wiederherzustellen Die anglikanische Kirche zieht der Bank of England die Giftzähne

21. Kapitel: Ein Plädoyer für eine vierte Staatsgewalt Die Fehldiagnose der monetären Probleme Amerikas Abschaffung des Systems der begrenzten Reservehaltung und die Einführung einer Deckungspflicht von 100 % Die Geldausgabe muss eine staatliche Aufgabe sein Im Angesicht des Bösen Hindernisse bei der Umsetzung monetärer Reformen in den Vereinigten Staaten

22. Kapitel: Die deutsche Hyperinflation von 1923 unter einer privaten Zentralbank Die Entstehung Deutschlands Der Versailler Vertrag Die monetäre Zerstörung Deutschlands Die Ursache der Inflation: erste »Erklärung« Die wahren Gründe für die Inflation Schachts Enthüllung Die Spekulanten versuchen wieder ihr Glück Hitler ist von Feders monetären Ansichten angetan Die Errichtung der Deutschen Bundesbank als einer staatlichen Zentralbank Die Europäische Währungsunion stellt Deutschland vor neue Herausforderungen

23. Kapitel: Internationale Währungssysteme Das Problem des internationalen Zahlungsverkehrs Der internationale Goldstandard Die Gründung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) Der Internationale Währungsfonds (IWF) Drei Vorschläge zur Verwirklichung internationaler Währungsstabilität Geldschöpfungsbefugnisse des IWF Die Weltbankgruppe Die Internationale Finanz-Korporation (IFC) Die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) Monetäre Entwicklungen im Islam – ein Wiederaufleben der Scholastik

24. Kapitel: Die Europäische Währungsunion Der Aufbau der Europäischen Währungsunion Die Inhaber der EZB Berichte und Überprüfung Konvergenzkriterien Methoden der Geldschöpfung  Das Problem der begrenzten Reservehaltung in der Europäischen Währungsunion Soll neues Geld auf Außenhandelsüberschüssen basieren? Die Gelddefinition ist die Aufgabe des Europäischen Währungsinstituts Es gibt keine Alternativen zur EWU Institutionalisierung eines Prüfungsverfahrens

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