Oeconomia oder die ewig wachsende Schuld des Geldes

Oekonomia

Genial surft Carmen Losmann die Lernkurve des Geldes

Die 2009 Krise machte die Filmemacherin neugierig. Kuriosität im Rücken, macht sie sich auf die Reise. Da war Sie nicht die einzige. Auch ich gehöre zu einer seither massiv gewachsenen Kohorte neuerer Geldforscher.

Losmann’s Erkenntnistrip hat allerdings was besonderes. Statt akademische Experten oder Geldreformer zu befragen geht sie direkt zur Bank und Big Business.

Das stellt sich als genial heraus, so wie auch ihr Ansatz nicht dem alleinstehenden Mysterium des Geldes nachzuspüren, sondern es im Dreisatz von Geld, Schulden und Wachstum anzupeilen.

So fängt der Film zwar unweigerlich mit der Geldschöpfung “ex nihilo” an, verharrt aber nicht im entsetzen Staunen: Das kann nicht wahr sein? Das meiste Geld wird privat geschöppft? Aus dem Nichts? Was hat das zu bedeuten? Oder auch eine Variation von Henry Ford’s berühmtem Spruch: “Wenn die Leute das wüssten, gäbe es morgen eine Revolution!”

Losmann verschwendet keine Zeit damit sich von Ortho-Ökonom erklären zu lassen dass Buch- Giral- Kredit- oder Schuldgeld kein richtiges Geld sei blah blah blah…

Loanable Funds vs. Endogenous Money: Krugman is Wrong, Keen is Right

by Egmont Kakarot-Handtke 2014

Abstract : In his recent article, Keen resumes the debate with Krugman about the effects of debt upon the economy. It is hard to see how the question can be settled as long as all participants apply their idiosyncratic models. Hence the issue boils down, as Krugman rightly put it, to the deeper question: “how should one do economics.” Sketched with a broad brush, the consensus is that Orthodoxy has failed and that Heterodoxy has no convincing alternative to offer. The conceptual consequence of the present paper is to restart from a firm common formal ground. This relocation makes the debate solvable.

https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2389341

Stattdessen umarmt sie das Kreditgeld als notwendige Vorraussetzung der Investition. So überspringt sie das ortho-ökonomische Märchen vom Sparen als Investitions-Vorraussetzung und verbringt den Film damit zur rechten Zeit immer wieder dieselbe Frage zu stellen: Und wo kommt das Geld her?

Schuldgeldwachstum

Und wie verteilt es sich dann?

Turbozinsgeladener Matthäus-Effekt

Auf dem Weg durch die Chefetagen sammelt Losmann witzige Szenen in denen die selbstbewussteren Finanzprofis sich dabei ertappen Losmann’s Fragen nicht anständig beantworten zu können. Manche wollen nochmal in der Literatur nachschauen um eine Antwort zu finden. Andere wissen bereits es liegt an der eigenen volkswirtschaftlichen Ausbildung dass es hier zu Sprachstörungen kommt.

Kapitalistische Ewigkeit

Mit knapp aber knackigen Fragen bohrt sich Losmann durch die partikulären Perspektiven der Partizipanten auf eine Gesamtübersicht der Dreifaltigkeit von Geld, Schulden und Wachstum. Dank Losmann’s heterodoxem Ansatz wandelt sich das Trio allerdings vor unseren Augen. Da sie die orthodoxen Metall- und Waren-Theorien des Geldes gar nicht erst an- oder einpackt, reist sie unverschleiert auf der Kreditkarte des Schuldgelds. Da sind Schulden Geld und Geld Schulden, je nachdem.

So dynamisiert sich ihr Dreisatz zu einem Ménage à trois wo Wachstum zwanghaft die beiden anderen treibt UM sich als Soll- oder Haben-Geld immer mehr aufzupumpen. Wie genau das funktioniert bleibt weiterhin etwas mysteriös. Klar wird allerdings, dass Vermögen aus den Schulden der Schuldner besteht, und dass so mit Zunahme der Schuldgeldmenge der Matthäus-Effekt schnell zum Hockeyschläger wird. Wie ein Obervermögensberater im Film erklärt: Auch kleine Prozente machen grössere Vermögen immer grösser.

Je nach Bildungsstand und Positionierung vertreten die Finanzprofis verschieden Ansichten etwa zum Thema wie genau Gewinne eigentlich erzielt werden? In einem sind sich aber Alle einig: Ohne Wachstum läuft nichts.

Mit ihrem Bilder- und Stimmen-Schnitt aus Lichtblick und Denkpause zeichnet Losmann eine laufende Lernkurve die ungefähr dem neuesten Stand der relevanten Forschung entspricht. Bewusst oder nicht reflektiert ihr Opus quasi minimalistisch den dicht und bunt gestrickten Fleckenteppich der besten und neuesten Hetero-Ökonomie, einschliesslich Fiat Kritiker und Geldreformer.

Zentrale Elemente wären hier, unter anderem: Post Keynsian Monetary and Banking Theories from MMT to Richard Werner’s QTC , Steve Keen’s Soddy&Minsky inspired Complex Debt Modelling, the Meta-Theory of Capital as Power, the Eco-Social Economics of Real Value and the radical reconstruction of David Orrell’s Quantum Economics, all woven into the normatively graphic integration of Doughnut Economics.

Zwar oft zerstritten und uneinig habe alle diese Heteros drei Dinge gemein:

  • Geld ist nicht neutral irrelevant sonder zentral wichtig.
  • Wachstum stösst auf Grenzen. Auch nur rein monetäre Grenzen wenn Bewertungen sich aus den Angeln der relativen Preise lösen. (zB:Hauspreise/Durchschnittseinkommen). Dasselbe gilt für öko-physische Grenzen auch ohne Peak-Oil oder absolute Grenzen. Denn selbst nur linear wachsende Ausbeutung natürlicher Ressourcen hat eine Beziehungskiste mit exponentiell wachsenden “Nebenwirkungen” (zB:Umweltverschmutzung/Klimakrise)
  • Die dominanten Ortho Ökonomen sind die akademischen Rentiers des real existierenden Kapitalismus. Die equilibriernde Ortho Ökonomie verschleiert das Geldsystem und sich selbst. Das Tabu wird als geniale Abstraktion angebetet. Die päpstlich monopolistische Institutionalisiering der Mikro-Markt-Lehre (90% aller Studiengänge) bedroht mittlerweise das Gesamtsystem. Viele Finanz- und Wirtschafts- Profis merken schnell dass man vielleicht besser was relevanteres studiert hätte. Angesichts der Wirklichkeit sockelt die Ortho-Ökonomie sich wie die Atrophie der drei Affen: Taub, blind und stumm. Nichts kann diesen Imperator erschüttern. Schon gar nicht Tatsachen oder Argumente. Da bleibt den Heteros de facto nur die Ur-Keynesianische Hoffnung auf freiwillige Sterbehilfe.

Der Film endet mit dem dringenden Wunsch nach Alternativen. Der spiralisierende Wachstumszwang des Schuldgeldgewinnschöpfungssytems sieht auch aus Sicht vieler Finanzprofis wie eine zunehmend zündelnde Bombe aus. Das Geldsystem liest sich instabil und ungerecht, da die Gewinne sich dem turbozinsgeladenen Matthäus-Prinzip entsprechend zunehmend nach oben verteilen.

Wie so ein System jetzt plötzlich nicht Rendite sondern Gutes Klima erwirtschaften soll ist schon fast keine Frage mehr. Es wird offensichtlich dass ökologische Nachhalitigkeit oder Sozialverträglichkeit als Werte mit dem zwingenden Mehr!Wert nicht konkurrieren können.

Da hilft auch keine noch so gigantische ESG Grünwaschanlage.

Jetzt bitte den Film anschauen.

Sitzen Sie bequem? Dann fragen wir los…

https://www.3sat.de/film/dokumentarfilm/oeconomia-100.html


Zum Film – deutsch english


youtubeBerlinaleMeets


Oeconomie – Berlinale Nighttalk 2020

berlinale.de/en 2020 “In his 2011 essay “The Making of the Indebted Man”, philosopher Maurizio Lazzarato writes: “Debt is not an impediment to growth. Indeed, it represents the economic and subjective engine of the modern-day economy. Debt creation, that is, the creation and development of the power relation between creditors and debtors, has been conceived and programmed as the strategic heart of neoliberal politics.” Carmen Losmann’s Oeconomia sets off on a journey into this strategic heart. The fact that many representatives of the banking and finance sector would prefer not to speak on camera – and those who do are often at a loss for words – makes this an undeniably ambitious undertaking. No matter how transparently the architectures of banks and financial institutions present themselves, the director repeatedly finds herself in front of closed doors while conducting her research. But she makes a virtue of necessity by using phone call transcripts and computer-generated images to bring abstract, difficult-to-grasp subject matter to life.”


goethe.de/ Interview : “THERE ARE NO STUPID QUESTIONS” – In her funny and thorough documentary Oeconomia, Carmen Losmann quizzes some of our capitalist system’s chief players on everything you’d like to know about money. Ahead of the Australian premiere, Goethe-Institut asked Losmann about what motivated her to make the film. – By Jochen Gutsch


petroliofilm.de …”… Alissa Simon: What is money? What are debts? What are the consequences of both? And how can images be found for them? Layer by layer, OECONOMIA reveals how the rules of the contemporary capitalist game systematically precondition growth, deficits, and concentrations of wealth. With praiseworthy shrewdness and rigor, director Carmen Losmann articulates in layman’s terms the more egregious aspects of capitalist economy rendered invisible by the prevalent media coverage. Her striking visual concept contrasts the glass transparency of financial institutions with their reflecting, glittering facades, which are almost completely inaccessible to outsiders.” …


theGermanFilmOfficeGoetheInstitut 2020


cineuropa.org/en BERLINALE 2020: We sat down with German director Carmen Losmann, who has presented her documentary Oeconomia in the Forum section



filmcasino.at Film+Gespräch: 29.6. (19:30Uhr) im Filmcasino – Im Anschluss Podiumsdiskussion mit: Paul Pichler, Stephan Schulmeister und Fritz Fessler (Genossenschaft für Gemeinwohl) Moderation: Christina Buczko (Genossenschaft für Gemeinwohl)

OECONOMIA ist ein Film über die Spielregeln des Kapitalismus und darüber, wie Geld entsteht. In seinem Essay „Die Fabrik des verschuldeten Menschen“ aus dem Jahr 2011 schreibt der Philosoph Maurizio Lazzarato: „Die Schulden stellen kein Hemmnis für das Wachstum dar; im Gegenteil, sie sind der ökonomische und subjektive Motor zeitgenössischer Ökonomie. Die Fabrikation der Schulden, also die Konstruktion und Entwicklung des Machtverhältnisses Gläubiger-Schuldner, bildet das strategische Zentrum neoliberaler Politik.“ Mit OECOMIA unternimmt Carmen Losmann eine Reise in dieses strategische Zentrum.

Unser Wirtschaftssystem hat sich unsichtbar gemacht und entzieht sich dem Verstehen. In den letzten Jahren blieb uns oft nicht viel mehr als ein diffuses und unbefriedigendes Gefühl, dass irgendetwas schiefläuft. Aber was? OECONOMIA legt die Spielregeln des Kapitalismus offen und macht sichtbar, dass die Wirtschaft nur dann wächst, dass Gewinne nur dann möglich sind, wenn wir uns verschulden. Jenseits von distanzierten Phrasen der Berichterstattung, die ein Verstehen des Ungeheuerlichen letztlich immer wieder verunmöglichen, macht sich OECONOMIA mit viel Scharfsinn daran, den Kapitalismus der Gegenwart zu durchleuchten. Erkennbar wird ein Nullsummenspiel, das uns und unsere ganze Welt in die Logik einer endlos fortwährenden Kapitalvermehrung einspannt – koste es was es wolle.

Mit ihrem preisgekrönten Dokumentarfilm und auch im Kino erfolgreichen „Work Hard, Play Hard“ setzte sich Carmen Losmann mit den Wirkungen des modernen Human Ressource Managements auseinander. Mit OECONOMIA, der auf der Berlinale 2020 seine Premiere feierte und von der Kritik hoch gelobt wurde, setz sie ihre eindringlichen Recherchen zu den Grundlagen unseres Wirtschaftssystems fort und öffnet den Blick jenseits der gängigen Erklärungsmuster und Dogmen auf den Nucleus eines hochexplosiven Systems: Der Schuldner als zentraler Akteur.

OECONOMIA ist ein Film von brennender Aktualität.


sueddeutsche.de 2020 Warum muss die Wirtschaft eigentlich ständig wachsen?

…”…Das hat sehr viel mit der Geldmenge zu tun, weil die Kreditvergaberegeln der Banken so konstruiert sind, dass Geld nur für gewinnträchtige Unternehmungen produziert wird, und nur bei einer wachsenden Wirtschaft funktioniert das wirklich reibungslos. Denn unsere Geldmenge wächst nur dann, wenn private Geschäftsbanken ausreichend Kredite vergeben, der Großteil unserer zirkulierenden Geldmenge wird schließlich von Geschäftsbanken per Kreditvergabe erzeugt (von Ökonomen als “Buchgeld” bezeichnet – im Gegensatz zur Bargeldschöpfung der Zentralbanken; Anm. d. Red.). Mein Resümee: Wir brauchen eine wachsende Wirtschaft, damit unsere Geldversorgung funktioniert.

Das heißt: Wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst, wäre für den Bürger am Bankautomaten aus Ihrer Sicht irgendwann einmal Ebbe?

In der letzten Finanzkrise konnten wir Folgendes beobachten, der frühere Chefvolkswirt der EZB, Peter Praet, erläutert das im Film: Als nach der Finanzkrise die Wirtschaft nicht weiter wuchs, und der Privatsektor nicht mehr genügend Kredite nachfragte, drohte die Geldmenge zu schrumpfen. Dann ist die EZB mit unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen eingesprungen und hat dafür gesorgt, dass genügend Geld im Umlauf blieb. Hätte die EZB das nicht getan, hätte uns ein deflationärer Teufelskreis gedroht: Unternehmen gehen pleite, weil sie aufgrund einer schrumpfenden Geldmenge keine Mehreinnahmen mehr generieren können. Daraus folgen Arbeitsplatzverluste und ein Sinken der Nachfrage, immer mehr Akteure gehen pleite, und am Ende könnten Sie tatsächlich kein Geld mehr vom Bankautomaten abheben – schlichtweg, weil Sie keines mehr von Ihrem pleitegegangenen Arbeitgeber überwiesen bekommen.

Sie kommen in Ihrem Film zu dem Schluss, den ja schon der Club of Rome 1972 formuliert hat: dass unendliches Wirtschaftswachstum in einer endlichen Welt nicht funktionieren kann. Was wäre Ihrer Meinung nach ein tragfähiges Wirtschaftssystem?

Dafür habe ich auch kein fertiges Modell. Ich versuche, mit dem Film erst mal ein angemessenes Problembewusstsein zu schaffen: Wir diskutieren gerne darüber, wie gerecht im Kapitalismus Geld verteilt ist, es geht um Umverteilung, Steuergerechtigkeit, Besteuerung von großen Vermögen. Aber wie die kapitalistische Geldproduktion funktioniert, und unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen Geld erzeugt wird, und ob es sinnvoll ist, ständig neue Investitionskredite für gewinnträchtige Unternehmungen vergeben zu müssen, nur damit uns das Geld nicht ausgeht, darüber diskutieren wir selten.” …


cineuropa.org/en Review: Oeconomia by Vladan Petkovic

…”…At the beginning, a group of independent economic experts sit at a Monopoly board on the street in front of one of the many sterile, glass-and-steel financial institutions shown in the doc, and they play the role of a Greek chorus, stripping the discussion down to simpler terms. This is where, near the end of the film, environmental issues get connected to the main storyline, but this topic could form the basis of a potential sequel to the film, rather than being the crucial point of this one.

Still, Oeconomia is a thoroughly researched, engaging (if at times hard to follow) and thought-provoking documentary, edited by Losmann and Henk Drees as concisely as possible for such a dense subject matter. The detailed sound design and eerie musical score underline both the gravity of the topic and the feeling that the system is actively hiding from and lying to the regular, law-abiding, tax-paying citizen. And the citizen is definitely not paranoid: they are indeed after his (or her) money.”


vimeo.com/ 2011 Work Hard Play Hard – Director: Carmen Losmann
A film about non-territorial office space, multi-mobile knowledge workers, Blackberries and Miles&More. A road movie discovering the working world of tomorrow. This documentary will take you on a journey through the post-industrial knowledge and services workshops, our supposed future working place. In this new world work will be handled more liberally. Time clocks cease to exist. Attention is not compulsory any more. The resource “human“ comes into focus. The film closely follows the high-tech work force – people who are highly mobile and passionate to make their work their purpose in life. Further episodes resume this topic and lead into the world of modern office architecture and into the world of Human Resource Management.



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